Im Trend: Alternativen zu Factory Farming
Factory Farming steht zunehmend in der Kritik. Vom Tierleid über gesundheitliche Risiken bis hin zur Umweltbelastung gibt es zahlreiche Aspekte, die konventionell hergestellte Tierprodukte mehr und mehr ins Abseits stellen. Dies wiederum führt dazu, dass laufend neue Alternativen den Markt erobern.
Hintergründe zum Trend: mehr Verbrauchersensibilität für die Probleme der Massentierhaltung
Die Tierproduktion als Teilbereich der Landwirtschaft hat bis heute große Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung. Gleichzeitig steigt jedoch das politische und gesellschaftliche Interesse an artgerechter Tierhaltung, Tierwohl und Umweltschutz. Zudem streben immer mehr Menschen nach einer ausgewogenen, gesunden Ernährung. Diese beiden Aspekte sind hauptverantwortlich dafür, dass Alternativen zu Produkten, die aus der Massentierhaltung hervorgehen, hoch im Kurs stehen.
In den vergangenen Jahren haben bereits verschiedene Ersatzprodukte für tierische Erzeugnisse den Markt erobert. Dieser Trend setzt sich fort. Es werden kontinuierlich neue Alternativen gesucht, die insbesondere unseren Proteinbedarf decken sollen. Wie wichtig Proteine nicht nur für Sportler, sondern für jeden Menschen sind, ist kein Geheimnis mehr. Jedoch können viele Verbraucher Fleisch nicht länger guten Gewissens konsumieren.
Alternative Proteinquellen werden bis zum Jahr 2054 etwa ein Drittel des Marktes ausmachen, das ist absehbar. Einen klaren Hinweis darauf liefern die schon jetzt fünffach höheren Investitionen in Food-Start-ups, die sich der Herstellung alternativer Proteinprodukte widmen. Stark im Kommen sind beispielsweise zell- und insektenbasierte Proteine. Im Folgenden gehen wir kurz auf die derzeit wichtigsten Alternativen zu Factory-Farming-Erzeugnissen ein.
Hybrid-Produkte: Tierisches ergänzt durch Pflanzliches
Konsumentenprototyp der Zielgruppe: „Ich esse wahnsinnig gerne Fleisch und trinke auch mit großem Genuss Milch. Dabei ist mir durchaus bewusst, dass das den Tieren und der Umwelt schadet. Dennoch fällt es mir schwer, darauf zu verzichten. Hybride Produkte helfen mir, zumindest einen kleinen Beitrag zu leisten. Immerhin konsumiere ich auf diese Weise weniger tierische Produkte als vorher.“
Hybrid-Produkte enthalten zwar Zutaten aus tierischer Produktion, allerdings ergänzt durch Pflanzliches. Ein paar Beispiele dafür im Überblick:
– haltbare/frische Milch mit Pflanzendrink
– Joghurt aus Milch und Pflanzendrink
– Hackfleisch mit Gemüseanteil (siehe „Less Meat“)
Lab Meat: zellbasiertes In-vitro-Fleisch aus dem Labor
Konsumentenprototyp der Zielgruppe: „Ich mag Fleisch, mache mir aber nach allem, was inzwischen dazu bekannt ist, Sorgen um meine Gesundheit. Schließlich haben Studien mittlerweile belegt, dass ein starker Fleischkonsum das Risiko für verschiedene schwere Krankheiten erhöht. Deshalb würde ich es begrüßen, wenn es auch bei uns bald In-vitro-Fleisch zu kaufen gäbe – vorausgesetzt, es wäre bewiesen, dass es gegenüber konventionellem Fleisch gesundheitliche Vorteile hätte.“
Laborfleisch, oftmals auch Lab Meat, Clean Meat oder In-vitro-Fleisch genannt, wird im Labor aus gezüchteten Zellkulturen hergestellt. Hier eine grobe Übersicht zum Produktionsprozess, dem sogenannten „Tissue Engineering“:
1. Einem Tier wird Muskelgewebe entnommen.
2. Aus dem Muskelgewebe werden Stammzellen gewonnen.
3. In einem speziellen Behälter (Bioreaktor) werden die Stammzellen mit einem Nährmedium, das optimale Bedingungen sicherstellt, vermehrt.
4. Die Stammzellen durchlaufen verschiedene Stadien und entwickeln Muskeln. Über ein Trägergerüst, das meist aus Kollagen besteht, wachsen sie zu einer größeren Masse zusammen. Daraus resultieren sehr dünne Fleischschichten, die an Hackfleisch erinnern.
5. In ähnlicher Weise werden Fettzellen gezüchtet und mit dem Muskelgewebe kombiniert, um dem Geschmack von echtem Fleisch möglichst nahe zu kommen.
Echte Steaks oder andere Fleischstücke lassen sich so jedoch nicht herstellen. Dafür sind dreidimensionale Gerüste erforderlich, auf denen die gezüchteten Muskelzellen in jede Richtung ausfasern können. Start-ups experimentieren schon in diesem Bereich. Auch zur Gewebestruktur des In-vitro-Fleisches wird intensiv geforscht. Das Ziel ist, die Textur von echtem Fleisch authentisch nachzubilden.
Während in der EU noch keine Firma einen Antrag für die Zulassung von Lab Meat gestellt hat, sind in den USA bereits mehrere Hersteller von In-vitro-Fleisch zugelassen. Es ist jedoch nur eine Frage der Zeit, bis Laborfleisch auch in Europa in den Supermarktregalen zu finden sein wird.
Ob Clean Meat tatsächlich reiner, gesünder und umweltfreundlicher ist als konventionell hergestelltes Fleisch, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht eindeutig sagen. Es sind umfassende Untersuchungen nötig, um die Unbedenklichkeit und den Gesundheitswert sowie den generellen Nutzen zu beweisen.
Prinzipiell haben im Labor gezüchtete Fleisch- und auch Fischerzeugnisse aber das Potential, eine nachhaltigere Lebensmittelherstellung zu unterstützen. Elementare Voraussetzungen dafür sind eine ressourcenschonende Produktion auf der einen und eine transparente Kennzeichnung auf der anderen Seite.
Wichtig zu wissen, um die Zielgruppe für In-vitro-Fleisch richtig einzuschätzen: Um die Muskelzellen zu züchten, müssen in der Regel immer noch Tiere getötet werden. Von einer Produktion ohne Tierleid ist Lab Meat also noch ein ganzes Stück entfernt. Für Verbraucher, denen vor allem der Tierschutz beziehungsweise das Tierwohl am Herzen liegt, stellt es somit aktuell keine geeignete Alternative dar.
Insektenbasierte Proteine: Mehlwürmer und Heuschrecken zum Knabbern
Konsumentenprototyp der Zielgruppe: „Ich bin zwar weder Veganer noch Vegetarier, verabscheue aber die Art und Weise, wie mit Nutztieren umgegangen wird, und was das mit unserem Planeten macht. Es bereitet mir Freude, Neues auszuprobieren, gerade auch beim Essen. Alternativen zu Produkten aus Massentierhaltung dürfen von mir aus tierisch sein, solange sie weniger Tierleid verursachen und nachhaltiger sind. Ich kann mir beispielsweise absolut vorstellen, lecker zubereitete Insekten zu knabbern.“
Gemäß der Novel-Food-Verordnung sind EU-weit seit 2021 zwei Insektenarten als Nahrungsmittel zugelassen: der Mehlwurm und die Europäische Wanderheuschrecke. EU-Behörden prüfen derzeit Anträge für rund ein Dutzend weiterer Arten. Dies gibt dem potentiellen Markt für proteinreiche Lebensmittel aus Insekten den von vielen Unternehmen lang ersehnten Auftrieb. Allmählich holen Hersteller von Insektenprodukten auf und gleichen den Startnachteil gegenüber pflanzenbasierten Fleischalternativen aus. Das US-amerikanische Marktforschungsunternehmen Meticulous Research prognostiziert, dass der Markt für insektenbasierte Proteinprodukte bis 2030 rund 9,6 Milliarden US-Dollar wert sein wird.
Übrigens: Insektenproteine sind zunehmend auch für Haustiere erhältlich.
Neuere nicht tierische Proteine aus speziellen pflanzlichen Quellen
Konsumentenprototyp der Zielgruppe: „Ich finde die Massentierhaltung so schlimm, dass ich versuche, so weit wie möglich auf tierische Produkte zu verzichten. Jedoch brauche ich meine Proteine, zumal ich auch sehr viel Sport treibe. Es macht mir nichts aus, pflanzliche Proteine zu konsumieren. Dabei bin ich auch offen für neuere Varianten, beispielsweise aus Algen.“
In der Tat sind Algen gerade auf dem Vormarsch, wenn es darum geht, pflanzliche Proteinprodukte herzustellen. Mikroalgen wie Chlorella, Spirulina oder Dunaliella bestehen zu bis zu 70 Prozent aus Proteinen. Einige von ihnen enthalten alle essentiellen Aminosäuren, sodass es sich um komplette Proteine handelt. Diese Eigenschaften machen sich Start-ups und auch etablierte Unternehmen natürlich zunutze, um überzeugende Alternativen zu klassischen und überhaupt tierischen Proteinquellen anzubieten.
Fazit
Die erwiesenermaßen negativen Auswirkungen von Factory Farming verdeutlichen, dass Alternativen nicht nur erwünscht, sondern sogar erforderlich sind. Und die immer neuen Ersatzprodukte, die auf den Markt kommen, zeigen, dass wir auch gut ohne konventionell hergestellte tierische Erzeugnisse leben können, vielleicht sogar besser als je zuvor.