Kommendes EU-Anti-Greenwashing-Gesetz: Hintergründe und Auswirkungen
Am 17. Januar 2024 stimmten die Abgeordneten des EU-Parlaments über das Anti-Greenwashing-Gesetz (Directive on empowering consumers for the green transition): 593 waren dafür, 21 dagegen. Schon im März 2022 hatte die EU-Kommission eine Reihe von Vorschlägen veröffentlicht, die bestehenden EU-Richtlinien zum Schutz und zur Aufklärung der Verbraucher zu ändern.
Aggressive Werbung durch halb- oder unwahre beziehungsweise nicht belegte Umweltaussagen auf Produkten sollte verboten und stattdessen die Bereitstellung nützlicher, nachprüfbarer Informationen vorgeschrieben werden, um den Konsumenten die Möglichkeit zu geben, ökologische Aspekte in ihre Kaufentscheidungen einfließen zu lassen, ohne sie mit unlauteren Mitteln gezielt zu beeinflussen – oder sagen wir besser: zu manipulieren.
Zu den wichtigsten Neuerungen gehört, dass Unternehmen Produkte klarer und vertrauenswürdiger kennzeichnen müssen. Sie dürfen künftig keine allgemeinen Green Claims mehr verwenden, für die es an Beweisen fehlt, beispielsweise Worte wie „umweltfreundlich“, „natürlich“ oder „klimaneutral“ auf die Verpackung drucken, ohne die Aussage näher zu erläutern und stichhaltig zu beweisen.
Ein weiterer bedeutsamer Punkt ist die Regulierung von Nachhaltigkeitssiegeln. Das neue Anti-Greenwashing-Gesetz lässt nur noch Siegel zu, die auf offiziellen Zertifizierungssystemen basieren oder behördlich festgelegt worden sind. Darüber hinaus verbieten die Richtlinien die Verwendung von Angaben, die auf Emissionskompensationssystemen beruhen und darauf hinweisen, dass sich ein Produkt reduziert, neutral oder positiv auf die Umwelt auswirken würde. Dies wird wahrscheinlich vorerst nur die Unternehmen ab einer bestimmten Größe betreffen.
Sobald der EU-Rat die neuen Regelungen verabschiedet und in das Amtsblatt einträgt, sind die Mitgliedsstaaten gefordert, diese binnen zwei Jahren in ihr nationales Recht zu überführen. Dabei wird auch der Ausgang der Europawahlen 2024 von entscheidender Bedeutung sein. Diese Wahlen werden die Richtung der EU-Politik für die kommenden fünf Jahre prägen, insbesondere in Bereichen der Nachhaltigkeitsgesetze. Die Ergebnisse dieser Wahlen könnten somit entscheidend die endgültigen Beschlüsse und die daraus resultierende Gesetzgebung beeinflussen.
Zwei neue EU-Richtlinien – gegen Greenwashing, für den Verbraucherschutz
Wie in der Grafik zu sehen ist, sollen demnächst zwei neue EU-Richtlinien verabschiedet werden. Das übergeordnete Gesetz zum Verbot von Greenwashing und irreführenden Produktinformationen befürwortete die große Mehrheit der EU-Abgeordneten bereits zu Beginn dieses Jahres, wie wir eingangs erwähnten. Diesbezüglich steht nur noch die Zustimmung des EU-Rats und in der Folge die Umsetzung der EU-Mitgliedsstaaten aus.
Die zweite EU-Richtlinie gegen Greenwashing (Green Claims Directive) regelt die Kommunikation expliziter Umweltaussagen. Über sie soll im Frühjahr 2024 abgestimmt werden. Nach der Verabschiedung haben die EU-Mitgliedsstaaten anderthalb Jahre Zeit, um die Vorschriften national gesetzlich zu etablieren.
Es gilt festzulegen, wie Unternehmen die Umweltaussagen konkret beweisen müssen. Zudem sind die Anforderungen an Zertifizierungsverfahren für Nachhaltigkeitssiegel zu definieren. Entscheidend ist, dass sich Green Claims auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen. Überdies sollen Verbraucher möglichst einfach Zugang zu weiterführenden Informationen hinsichtlich der Aussagen erhalten.
Beide Richtlinien bauen aufeinander auf. Die eine bedingt die andere. Im Grunde bezieht sich das Gesetz zum Verbot von Greenwashing und irreführenden Produktinformationen auf das ‚Was‘, während das Gesetz zur Kommunikation expliziter Umweltaussagen das ‚Wie‘ vorgibt.
Auswirkungen des Gesetzes am Beispiel des einskommafünfgrad-Eistees
Am Beispiel des Eistees der Marke einskommafünfgrad können wir gut veranschaulichen, wie Green Claims durch die neuen Regelungen in Zukunft nicht mehr eingesetzt werden dürfen und welche Aspekte beim Packaging Design unter Berücksichtigung des bald in Kraft tretenden Anti-Greenwashing-Gesetzes bedeutsam sind.
Schon bei der Wahl der in die jeweilige Umweltaussage einbezogenen Bilder, Illustrationen und Farben ist Vorsicht geboten. Diese Merkmale dürfen Verbraucher in keinster Weise in die Irre führen. Konsumenten sollten nicht den Eindruck gewinnen, das jeweilige Produkt wäre „grüner“, als es in Wahrheit ist.
Auf der Verpackungsfront weist die Marke links oben und rechts unten darauf hin, dass der Eistee „klimapositiv“ sei – einmal durch einen entsprechenden Schriftzug, einmal durch ein nicht-offizielles Siegel. Allerdings bleibt die Brand einen gültigen Beweis für diese Behauptung schuldig. Seitlich wird zwar kurz erklärt, wie die Klimapositivität zu verstehen ist, doch laut der EU-Richtlinie muss beim Kauf von CO2-Zertifikate Vorsicht geboten werden. Der Begriff ‚klimapositiv‘ suggeriert beim Kauf des Produktes einen positiven Beitrag zur Umwelt. In Wirklichkeit werden jedoch die Emissionen lediglich an anderer Stelle ausgeglichen. Daher ist die Bezeichnung ‚klimapositiv‘ in diesem Kontext irreführend. Ohne Beweise geht auch hier nichts. Es muss deutlich auf die CO2-Zertifikate hingewiesen werden und zusätzlich bewiesenen werden, dass bereits alles Mögliche für eine CO2-Reduzierung im Unternehmen getan wurde und nur die Restemissionen mithilfe von Zertifikaten ausgeglichen werden – eine klare Abgrenzung zwischen tatsächlich interner Emissionsreduktion und externer Ausgleichzahlung muss gemacht werden. Zudem ist es wichtig, dass aufgezeigt wird, dass durch die Zertifikate keine weiteren Umweltauswirkungen an anderer Stelle entstehen.
Wichtige Anmerkung: Mit gültigen Zertifikaten dürfen bestimmte Green Claims zukünftig durchaus verwendet werden, eigene oder andere nicht-offizielle Siegel jedoch keinesfalls. Gültige Zertifikate sind beispielsweise Siegel, die unter bestehende EU-Vorschriften (bspw. EU-Bio-Logo) oder auch Siegel, die ein offizielles Zertifizierungsverfahren mit festgelegten Anforderungen durchlaufen haben.
Ein Stück weit problematisch ist auch, dass einskommafünfgrad auf der Front zwar an zwei Stellen erwähnt, dass es sich um einen Bio-Eistee handelt; die Erkennbarkeit dieser zentralen Eigenschaft lässt aber dennoch zu wünschen übrig, zumal die elementaren Beweise, sprich die zulässigen Bio-Siegel, nur seitlich unten versteckt – aber immerhin vorhanden – sind.
„Superfood“ ist kein rechtlich geschützter, sondern lediglich ein Marketing-Begriff. Er könnte Verbrauchern einen höheren gesundheitlichen Nutzen des Produktes vorgaukeln. Zudem gibt die Marke an, dass die Frucht aus der Nähe komme, verrät jedoch nicht, woher genau. Dies ist als unzureichende Information zu werten.
Unter dem Claim „Voll öko? Na logisch!“ sagt einskommafünfgrad, dass der Saft mit 100 Prozent grünem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt sei. Derartige Aussagen müssen nach der neuen Richtlinie belegt werden.
Fazit und Ausblick: weniger Green Claims, mehr Klarheit
Es wird erwartet, dass das Anti-Greenwashing-Gesetz die Anzahl der umweltbezogenen Aussagen auf Verpackungen reduziert und zugleich die Transparenz für die Verbraucher erhöht. Angesichts der bevorstehenden Einführung dieser Vorschriften müssen Marken in Zukunft bei der Produktgestaltung umfassendere Details berücksichtigen und ihre bestehenden Verpackungen entsprechend modifizieren. Nicht nur die gesetzlichen Anforderungen machen dies erforderlich, sondern auch ein wachsendes Bedürfnis der Konsumenten nach Transparenz bei umweltbezogenen Aussagen wird immer deutlicher.
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